Das Virgin-Imperium steht vor der Zerreissprobe

Mit unbändiger unternehmerischer Energie hat der britische Milliardär rund um die Marke Virgin einen Dschungel aus Firmen aufgebaut. Den Kern, die Fluggesellschaft Virgin Atlantic, könnte Corona jetzt aber dahinraffen.

Rufe nach Staatshilfe kommen in der Corona-Krise aus allen Ecken, aber selten von einem Milliardär, der in einem Luxusanwesen auf einer karibischen Insel lebt. Doch der britische Unternehmer Richard Branson, der es mit den Firmen seiner Virgin-Gruppe zu Reichtum und Ansehen gebracht hat, kämpft um das Überleben seiner wichtigsten Firma: der Fluggesellschaft Virgin Atlantic. In der Finanzkrise hielt Branson noch wenig davon, wenn Staaten bedrohte Airlines retteten. Jetzt aber, wo Virgin Atlantic selbst das Geld auszugehen droht, sieht er das anders.

Ein Mann, ein Konglomerat

Dabei ist Scheitern für Branson eigentlich nichts Unbekanntes. Längst nicht alle Unternehmungen, die er in seinem Leben gestartet und gefördert hat, haben überlebt. Und Branson hat viel probiert: Mehr als 60 Firmen und Beteiligungen mit nahezu 70 000 Mitarbeitern zählen zur Virgin-Gruppe, die einen Gesamtumsatz von fast 17 Mrd. £ (21 Mrd. $) erwirtschaftet. Die meisten der Firmen tragen das charakteristische weiss-rote Logo mit Virgin-Schriftzug. Es gibt auch Firmen, die Virgin im Namen führen, aber nichts (mehr) mit Branson zu tun haben – dann verdient der Milliardär aber immer noch an den Markenrechten.

Virgin ist eine Marke geworden, genau wie der 69-jährige Richard Branson selbst, der markante Kopf mit den halblangen, mittlerweile ergrauenden blonden Haaren. Virgin ist fast überall: Es gibt Virgin-Bücher, Virgin-Ballonflüge, Virgin-Weine, Virgin-Mobilfunk, eine Virgin-Bank, Virgin-Fitnessklubs, und bald soll es Virgin-Satellitenstarts und Virgin-Weltraumreisen geben. Verschwunden sind im Laufe der Jahre unter anderem Virgin Brides (Brautmoden-Geschäfte) und Virgin Cola.

Und es gibt Virgin Atlantic. Die Airline ist auf Langstreckenflüge spezialisiert und auf diesen Strecken der einzige einheimische Konkurrent von British Airways – trotz der kleinen Flotte von nur rund 40 Maschinen, die grösstenteils geleast sind, was nun zu einem Kostenproblem wird. Der Corona-Lockdown hat das Geschäft fast vollständig zum Erliegen gebracht. Allerdings will London spezielle Staatshilfen für Fluggesellschaften nur als allerletzten Ausweg vergeben. Notgedrungen sucht Branson deshalb nach privaten Geldgebern. Je nach Art der Finanzlösung könnte es sein, dass er die Mehrheit an der Fluggesellschaft abgeben muss.

Plattenlabel subventioniert Airline

Das wäre ein neues Kapitel für die Airline, die dank Bransons Innovationsgeist viel frischen Wind in die Branche gebracht hat. Virgin Atlantic entstand im Jahr 1984, nachdem American Airlines Branson im Stich gelassen hatte. Sein Flug von Puerto Rico auf die Britischen Jungferninseln wurde gestrichen. Schon damals ein reicher Unternehmer, charterte Branson kurzerhand ein Flugzeug und lud andere gestrandete Passagiere gegen ein Entgelt ein, mitzufliegen.

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